Wenn Chemikalien so wichtig sind, warum haben sie so einen schlechten Ruf?

11 December 2014

Wenn man jemandem ein Glas Orangensaft anbietet, wird er es als gesundes und nahrhaftes Getränk voller Vitamin C gerne akzeptieren. Wenn man jedoch denselben Saft, ohne Vitamin C, sondern stattdessen mit zusätzlichem E300 anbietet, wird man nur auf Ablehnung stoßen, obwohl es sich um exakt dasselbe handelt.

Warum ist das so? Warum wird die Sprache der Chemie oft als schädlich verstanden?

Die Menschen sind von Biologie fasziniert, sie sehen gerne stundenlang Naturfilme, in denen sie von wunderbaren Pflanzen und Tieren erfahren. Die Biologie wird als sehr „natürliche“ Wissenschaft angesehen und sowohl für umweltfreundlich und -fürsorglich gehalten.

Physik wird als eine Welt unglaublicher Konzepte gesehen, in der die Menschen die Schönheit des Weltraums und den Ursprung des Universums erforschen. Man sieht hier vor allem Raumschiffe und Laser als Sinnbilder des Fortschrittes.

Chemie wird auf der anderen Seite oft nachgesagt, ein Fach der Verschmutzung und Giftstoffe zu sein. Das Wort selbst wird oft in negativen Kontexten wie z.B. „chemische Waffen“ oder „Chemieunglück“ verwendet. Sogar Worte wie „chemische Reaktion“ scheinen eine negative Konnotation zu haben, obwohl chemische Reaktionen die Essenz unserers Daseins darstellen.

Vertreter der Chemie sind oft weit weniger glamourös als ihre wissenschaftlichen Kollegen.

Auf der Straße nach berühmten Physikern gefragt, werden sofort Namen wie Einstein, Hawking oder Newton genannt. Die Nachfrage nach bekannten Biologen wird sofort Assoziationen wie Darwin oder Mendel hervorrufen. Doch versuchen Sie mal nach bekannten Chemikern zu fragen – Stille wird die Antwort sein.

Ich kann nur spekulieren, ob diese Stille selbst verschuldet ist, von Jahrhunderten zerstörerischer Chemie, die Schlagzeilen nach sich zieht, wie es die konstruktive Chemie kaum vermag. Sarin-Gas, das in Syrien eingesetzt wird, verkauft Zeitungen, eine Explosion in einer Chemikalienfabrik sichert sich einen Platz auf der ersten Seite, wohingegen Vitaminzusätze in Frühstückscerealien kaum der Erwähnung wert sind. Sogar die Erfindung von Dynamit, das seither tausende von Leben im Bergbau gerettet hat, wurde von der Welt nur als gefährliche Substanz und Fluch der Gesellschaft angesehen.

Aber vielleicht kann dieser Fluch der Stille auch ein Vorteil für uns Chemiker sein. Wir wissen nur zu gut, dass unser Fach für sämtliche Prozesse um uns herum eine zentrale Rolle spielt, kaum etwas kann heute ohne den Einsatz von Chemie hergestellt werden. Nicht-Chemiker sehen in uns zwielichtige Wissenschaftler, fast Zauberkünstler. Wir werden zu „Dumbledores“ der Moderne, fähig zu schaffen und zu zerstören nur mithilfe eines Bürettenhahns.

Während also manche im Ruhm ihres gewählten Faches glänzen, bevorzuge ich diese mystische Aura des Chemikers. Wenn die Biologie Flora und Fauna regiert und die Physik die Sterne beherrscht, bin ich zufrieden mit dem Wissen, dass in allem was uns umgibt die Chemie die Königsdisziplin ist.

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