Jahrelang hat die Unsicherheit über den zukünftigen Ölpreis Hersteller in der Petrochemie beschäftigt. Die Preise sind seit knapp einem Jahrzehnt sehr instabil und machen es so fast unmöglich, Aussagen über mögliche Kapitalerträge zu treffen. Weiterhin, und noch gravierender, haben die fluktuierenden Preise nun begonnen, auch die Chemieindustrie zu beeinflussen.
Seit letztem Sommer sind die Ölpreise stetig gesunken, von über 100$ pro Barrel auf nunmehr weniger als 60$ (Stand: Januar 2015). Dies ist dem Überangebot auf dem Weltmarkt geschuldet. Jeden Tag werden weltweit 93,2 Mrd. Barrel Öl verbraucht, allerdings werden gleichzeitig 93,9 Barrel produziert.
Dieses Überangebot ist ein Resultat aus der Weigerung der OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries), die Produktion zu beschränken. Analysten sind sich unsicher, aus welchen Gründen diese Weigerung besteht, allerdings besagt eine Theorie, dass Saudi-Arabien hofft, auf diese Weise Akteure mit höheren Kosten in der Produktion, wie z.B. Nordamerika und Europa, vom Markt zu drängen.
Wenn die Ölpreise hoch sind, machen Investitionen in Tiefseebohrungen oder das Anzapfen kleinerer Ölfelder aus unternehmerischer Sicht durchaus Sinn. Bei geringen Ölpreisen hingegen denken Kapitalinvestoren zweimal darüber nach, neue Projekte zu starten.
Der Dominoeffekt in der Chemieindustrie entsteht nun daraus, dass viele Chemikalien, besonders in den USA, aus Erdgas hergestellt werden, während Konkurrenten in Europa und Asien vor allem auf Rohmaterialen aus Erdöl setzen.
Vor einigen Jahren, als die Ölpreise einen Höchststand erreichten, hatten die USA einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber ihren Konkurrenten. Mit der Verringerung des Preisunterschiedes zwischen Erdgas und Erdöl verringert sich auch der Wettbewerbsvorteil. Laut Stephen Zinger, Vorstand der Chemiesparte für Nord- und Südamerika von Wood McKenzie, bedeuten die kürzlichen Preisabfälle, dass sich der wirtschaftliche Vorteil in den letzten 12 Monaten halbiert hat. Falls der Preis für Erdöl weiter auf ca. 40$ pro Barrel abfällt, wäre der wirtschaftliche Vorteil komplett verloren.
Tom Klozer, Gründer des Oil Price Information Service, glaubt, dass die Ölpreise sich mit dem einsetzenden Winter auf der Nordhalbkugel bald stabilisieren werden. Allerdings, sollte die Überproduktion nicht bald drastisch eingeschränkt werden, könnte das Überangebot weiter auf bis zu 1,5 Mrd. Barrel pro Tag steigen. Dadurch würden die Ölpreise weiter gedrückt und könnten bis Mitte nächsten Jahres möglicherweise die 40$-Untergrenze erreichen.
Ein solcher Preis hätte weitreichende Konsequenzen für zahlreiche Preise von Chemikalien, es ist es also durchaus wert, ein Auge auf den Ölpreis zu haben, da er Sie nicht nur an der Zapfstation betreffen könnte.
